Interview mit Wilhelm Berger

Wilhelm Berger, heute 82 Jahre alt, hat 1970 die Berger GmbH als Ergänzung zum Familienbetrieb gegründet. Über seinen Werdegang, seine Erfahrungen und seine Einschätzung der Situation heute sprach die Redaktion Neues aus Bergers LichtWerk. Wir besuchten Wilhelm Berger in seinem Domizil in Isselburg, Westfalen.

War Licht und Kommunikation von Anfang an Ihr Wunschberuf?

Nein, als junger Mann wollte ich Hütteningenieur werden, in Duisburg, meinem Geburtsort. Mich interessierte die Bändigung von Eisen und die Herstellung von Stahl. Lag doch die Hütte Phoenix direkt vor der Haustüre. Doch leider hat mir die Arbeitssituation vor Ort gesundheitlich so zugesetzt, dass ich diese Ausbildung und das Studium abbrechen musste. Da war der Einstieg ins großelterliche Geschäft nur logisch.

Welche Aufgaben wurden dort bewältigt?

Mein Urgroßvater war Vergolder und Kirchenmaler in Süddeutschland. Dieser erkannte sehr früh, dass sich das Ruhrgebiet zu einem interessanten Markt entwickeln würde. Also siedelte er nach Duisburg um und bot dort sein Handwerk an. Das war Ende des 19. Jahrhunderts. Sein Geschäft wurde schnell erfolgreich, weil er seine Fähigkeiten auch Brauereien und Gaststätten anbot. In kurzer Zeit hatte er sich über die Grenzen hinaus einen Namen als Schildermaler gemacht. Aus dem Einmann-Betrieb wurde 1904 ein Handwerksbetrieb mit mehreren Mitarbeitern. Jeder, der damals „Reklame“ brauchte, landete irgendwann bei uns. Mein Vater hat dann mit seinem Bruder das Geschäft ausgebaut. Sie haben sehr schnell erkannt, dass "aktives Licht" die Zukunft sein wird, und haben die ersten Leuchtkästen entwickelt. Auch Neon-Werbung wurde ein großes Thema.

Erlebte Berger den steten Aufstieg?

Natürlich nicht, weil die beiden Weltkriege alles Aufgebaute zunichte machten und wir jedes Mal völlig neu anfangen mussten. Die ersten Jahre nach den Kriegen waren sehr schwer, denn das Überleben benötigte keine Werbung, sondern Nahrung. Da wir auch als Schlosser und Elektriker unterwegs waren, konnten wir in unserer Umgebung natürlich tatkräftig anpacken. Doch unserem Thema „Werbetechnik“ sind wir treu geblieben. Wir bekamen viel zu tun, insbesondere nach 1947, als das Gröbste wieder aufgebaut war. Man entdeckte, dass „Kommunikation“ - ein Begriff, den es damals noch gar nicht gab - gut tat. Zu der Zeit war „Leuchtreklame“ ein Adelstitel und nicht wie heute ein Schimpfwort.

Sie waren von der Pieke auf dabei?

Natürlich. Damals wurde man nicht gefragt, ob man Dieses oder Jenes konnte. Man bekam die Aufgabe in die Hand gedrückt und legte, natürlich mit großer Hilfe, los. Da wir so erfolgreich waren, wurde es irgendwann zu eng für die Väter, Brüder und Cousins und Neffen. Darum beschlossen meine Frau, die immer tatkräftig mitgearbeitet hatte, und ich, uns 1970 selbständig zu machen. Wir mieteten in Rheinberg eine olle Scheune und legten los. Dank unserer guten Kontakte und vor allen Dingen dank unseres guten Rufes als Werbetechniker entwickelte sich unser kleines Unternehmen sehr gut. Mir hat es immer große Freude bereitet, dass wir schnell die richtigen Themen fanden. Damals gab es noch sehr großen Bedarf an Leuchtwerbung für Gaststätten. Wir entwickelten insbesondere für die beiden Privatbrauereien Diebels und König Modulsysteme, sodass die Brauereien ganz gezielt und mit geringem Aufwand genau die richtige Leuchtreklame für die neue Kneipe bestellen konnten. Das galt auch für die Gaststätten, die im Ausland, insbesondere auf den Balearen, eröffnet wurden. Damals kamen wir ganz schön herum in der Welt. Und, bevor es vergessen wird, damals gab es noch sehr faire Preise. Das Gefeilsche von heute gab es nicht.

Welche Branchen haben Sie noch bedient?

Im Grundsatz alle. Wer zu uns kam, und Leuchtreklame wollte, bekam sie, auch bei Auflagen von einem Stück. Wir waren - und sind es heute noch - vor keinem Auftrag fies, und sei er noch so klein. Sehr interessant war die Zusammenarbeit mit den Volksbanken und Sparkassen. Damals residierten diese oft in einem Gebäude und zogen buchstäblich an einem Strang. Mein Lieblingskunde war die Volksbank. Das waren noch Zeiten! Es gab einen festen Handschlag und dann wurde gearbeitet. Ich müsste mal nachzählen, wieviele Niederlassungen von Volksbanken und Sparkassen wir mit Werbetechnik ausge-stattet haben. Und das jahrzehntelang. Wenn wir irgendwo sahen, dass eine Leuchtstoffröhre ausgefallen war oder dass sonst etwas nicht stimmte, dann sind wir dort hingefahren, haben den Fehler beseitigt, es wurde die Rechnung geschrieben und die wurde sofort bezahlt. Aus einem Grund, den ich heute nicht mehr erinnere, wurden Schuhgeschäfte eine wichtige Branche für uns. Und heute? Da wird für eine Röhre für 10 Euro eine Ausschreibung gemacht. Weil es die dann nicht umsonst gibt, bleibt die Leuchtwerbung eben defekt. Solche Nachlässigkeiten gab es zu meiner Zeit nicht.

Hat sich die Zeit tatsächlich so verändert?

Schlimmer! Wenn ich heute erlebe, wie sich mein Sohn Thomas mit unternehmerischem Sittenverfall beschäftigen muss, da bin ich fast dankbar, dass ich Rentner bin. Ein anderes positives Beispiel war die Zusammenarbeit mit Babcock. Nach konstruktivem Ringen haben wir die erste, wirklich großformatige Leuchtwerbung für Babcock geliefert. Auch da wurde nicht gefeilscht, sondern um das beste technische Ergebnis gerungen. Als das stand, waren wir die Haus- und Hoflieferanten für fast alle Stahlwerke und Maschinenbauer im Ruhrgebiet.

Im Volksmund waren Sie immer „Neon-Berger“?

Ob uns der Volksmund überhaupt kannte, entzieht sich meiner Kenntnis. Offiziell waren wir „Werbetechnik Berger“. Obwohl wir keine Glasbläserei hatten, setzte sich für lange Zeit der Name „Neon Berger“ durch. Wir meldeten uns dann auch irgendwann am Telefon so. Wie wir heute im Zeitalter des Internet genannt werden, müssen Sie meinen Sohn Thomas fragen. Da wir uns immer mit dem Bau von Fassaden beschäftigt haben und gerade bei individuellen Aufgaben, wie zum Beispiel den Bau von Theken und kompletten Ladeneinrichtungen uns einen sehr guten Ruf erarbeiteten, ist eigentlich jeder Begriff „falsch“. Meine Kunden sagten immer „Hauptsache Berger!“. Das reichte mir vollkommen.

Wann ist Ihr Sohn Partner geworden?

Thomas hatte von Kindesbeinen an ein Händchen für Physik. Er studierte dieses Fach in Aachen, half in den Semesterferien und bei akuten Fällen bei uns aus, machte sein Diplom und ist seit 1984 auch so etwas wie ein Chef. In diesem Jahr bauten wir in Kamp-Lintfort eine große Halle; unser Erfolg zwang uns dazu. Ich hoffe, er hat an seinem strengen Vater auch etwas Freude gehabt. (Wilhelm Berger grinst bei diesem Satz!) Immerhin arbeiten wir bis auf den heutigen Tag immer noch im Bereich Forschung eng zusammen.

Im Rückblick: Was hat Sie in den vielen Jahren am meisten beeindruckt?

Ich kann diesen Zeitabschnitt fast gar nicht mehr verstehen. Dass so etwas damals möglich war: Wir haben vom Vertrauen gelebt! Vom fairen Umgang miteinander, von der Fähigkeit, Probleme, die es auch mit unseren Kunden gab, ohne Rechtsanwalt zu lösen. Die Arbeit wurde erledigt, und dann gab es sofort wieder Zukunft. Fehler waren Fehler, die sofort beseitigt wurden, mehr nicht. Wie gesagt, von der Zusammenarbeit mit den Volksbanken und Sparkassen, Brauereien und der Großindustrie träume ich heute noch. Mein Sohn hat mein ganzes Mitgefühl, wenn ich heute beobachten muss, wie Rechnungen willkürlich gekürzt werden oder die eigenen Planungsfehler den Handwerkern angelastet werden. Wenn ich das Wort „Globalisierung“ höre, frage ich mich oft, ob mit diesem Größenwahn nicht ständig das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Der neueste Fall hat mich, den gestandenen Unternehmer, richtig erschüttert. Da hat ein „Kunde“ im Nachhinein den beidseitig unterschrieben Lieferschein mit dem Aufmaß „korrigiert“, natürlich zu seinem Nutzen. Und fand das auch noch korrekt. Unglaublich.

Wie sind Sie heute noch im Unternehmen tätig?

Natürlich mit Leib und Seele. Nicht im Tagesgeschäft, sondern in der Forschung. Wir sind da so eine Rentnerband, die noch ein völlig neues Licht entwickeln will. Licht, das alle Vorteile von Neon und Leuchtstoff in einem Medium vereinen will. Dank der Unterstützung des Forschungsministeriums sind wir dieser Lösung einen gewaltigen Schritt näher gekommen. Diese Arbeit, dieses Denken und Forschen halten mich fit. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie mich in unserem Labor besuchen. Dort werden Sie Licht erleben, wie es die Welt (hoffe ich doch!) noch nicht gesehen hat.

Vielen Dank, Wilhelm Berger, das werden wir garantiert tun.

Gut, dann erzähle ich Ihnen auch etwas über Hubert Jahny, der fast so lange wie ich im Unternehmen tätig ist ...

(Fortsetzung folgt)

 

Gelebtes Vertrauen

 

 

 


 

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